Zahnarztangst – Ursachen, Hilfen und Auswege
Ursachen
Die Ursachen der Zahnarztangst – auch als Dentalphobie oder Zahnarztphobie bezeichnet – sind vielfältig und nicht durchgängig wissenschaftlich belegt. Gesichert ist nur, dass es nicht den einen Entstehungsmechanismus gibt, wie auch eine von 2014 bis 2019 durchgeführte Studie der TU Braunschweig erforschen konnte. Diese Studie identifizierte z.B. genetische Veranlagungen, das persönliche Temperament und weitere Persönlichkeitsfaktoren als mögliche Ursachen für eine ausgeprägte Zahnarztangst.
Es scheint jedoch, dass die massive Art von Angst vor dem Zahnarzt meistens aufgrund traumatischer Erlebnisse und negativer Prägungen in der Kindheit der Betroffenen entstanden ist. Dies belegt eine Studie der Universität Hongkong aus dem Jahre 2024. Frühe Schmerzerlebnisse bei der Zahnbehandlung spielen also eine wichtige Rolle, ebenso wie negative Bilder, Angstgedanken und Vorstellungen, die die Eltern und die jeweilige Umwelt an ein Kind bewusst oder unbewusst weitergeben (sog. „Modelllernen“). Es gibt mithin eine alte „Tradition der Zahnarztangst“, an der übrigens auch empathielose Zahnärzte ihren Anteil hatten und haben.
Obwohl bereits Aufklärung über die weit verbreitete Angst vorm Zahnarzt eingesetzt hat und auch manche Hilfeangebote hierfür bestehen, sind die allermeisten Betroffenen auch heute noch sich selbst überlassen. Patienten mit Zahnbehandlungsangst finden in der Regel erst nach langer Leidenszeit ihren Weg in eine Zahnarztpraxis mit entsprechender Qualifikation und Erfahrung.
Dieser Ratgeber möchte Ihnen als Mensch mit Zahnarztangst Orientierung und Antworten auf die Frage geben: Was tun bei Zahnarztangst? Vielleicht kann der Ratgeber auch Ihnen helfen, Ihre Angst vor dem Zahnarztbesuch zu überwinden. Bitte nehmen Sie sich ein wenig Zeit zur Lektüre. Die Vorschläge, Empfehlungen und Tipps basieren auf Erfahrungen aus über 40 Jahren kontinuierlicher und schwerpunktmäßiger Behandlung von Angstpatienten und Panikpatienten, vielen Gesprächen mit ihnen und auch aus der persönlichen Erfahrung von Angstpatienten selbst, die an der Erstellung dieses Ratgebers dankenswerterweise mitgewirkt haben und, was uns besonders freut, den Ratgeber auch durch regelmäßiges Feedback ständig verbessern. Danke dafür!
Sie als Angstpatient und somit Experte sind auch mehr als willkommen, Ihre eigenen Erfahrungen mit einfließen zu lassen, da dieser Ratgeber lebt und ständig erweitert wird. Schicken Sie uns Ihre Anmerkungen bitte einfach an [email protected]. Wir freuen uns immer sehr über Ihr Feedback und werden es bei künftigen Erweiterungen dieses Ratgebers gegen Zahnarztangst angemessen berücksichtigen.
Ein Hinweis in eigener Sache: Da dieser Ratgeber entsprechend seinem gebündelten Erfahrungsschatz recht umfangreich ist, haben wir Ihnen die Navigation im Ratgeber dadurch erleichtert, dass Sie in der Hauptnavigation unter dem Punkt „Inhaltsverzeichnis“ ein solches aufklappen, sich darüber einen Überblick des gesamten Ratgeber-Inhalts verschaffen und bequem direkt zu den einzelnen Ratgeber-Themen wechseln können.
Sie sind nicht allein
Soviel ist sicher: Sie sind mit Ihrer Zahnarztangst nicht allein. Nicht ohne Grund können angehende Zahnmediziner an der Medizinische Fakultät der Universität Leipzig Seminare zum Thema „Angstmanagement“ belegen. Dentalphobie ist auch als eigene Diagnose im ICD 11-Katalog anerkannt (Klassifikation F40.2), dem weltweit anerkannten Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Belastbare Statistiken besagen, dass 67 Prozent große bis sehr große Angst vor einer Wurzelspitzenresektion, 64 % große bis sehr große Angst vor Wurzelbehandlungen und 19 Prozent generell bei jedem Zahnarzt-Besuch Angst haben. Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland etwa 10 Millionen Menschen von Zahnarztangst betroffen sind. Und – um es gleich vorweg zu sagen – die allermeisten von ihnen schaffen es, aus dieser oftmals furchtbar qualvollen und peinigenden Situation am Ende doch noch glücklich herauszukommen! Einige eindrucksvolle Beispiele von ehemaligen Angstpatienten finden Sie unter der Rubrik „Wir haben es auch geschafft!“
In unserer Praxis sind rund 70 Prozent der Patienten von einer mehr oder minder deutlichen Angst vor der Zahnbehandlung betroffen. Sicherlich über die Hälfte von ihnen kann man als Angstpatienten mit ausgeprägter Zahnbehandlungsphobie oder Zahnarztphobie bezeichnen. Dazu zählen die unspezifische Behandlungsangst (meist von einer grundlegenden Angst vor Kontrollverlust und Hilflosigkeit geprägt) sowie spezifische Zahnarztphobien wie z.B. eine Spritzenphobie, Schmerzphobie, Geräuschphobie, oder Erstickungsphobie.
Dabei ist eine gewisse Angst zunächst einmal gar nicht verwunderlich: Kein Mensch öffnet gern seinen Mund, um einen fremden Menschen mit spitzen Geräten etwas darin vornehmen zu lassen, wovon man nicht weiß, ob es nicht vielleicht gleich höllisch weh tut.
Der menschliche Mund ist nun einmal ein verletzlicher Intimbereich. Jeder Mensch empfindet bei dieser Vorstellung Unbehagen oder eine Art von „Ausgeliefertsein“ und „Hilflosigkeit“.
Doch gibt es nicht wenige Menschen, bei denen diese Situation – oder auch nur die Vorstellung davon – eine tiefe Angst und Panik auslöst, die so stark, so massiv und übermächtig ist, dass sie fest glauben, sich daraus nicht mehr aus eigener Kraft befreien zu können.
Und wenn Sie aufgrund Ihrer Zahnarztangst in Ihrem Umfeld auf Unverständnis stoßen, dann machen Sie gerne auf die nachfolgend dargestellte Befragung „Davor fürchten sich die Deutschen“ aufmerksam. Danach ist, wie wir wissen, Zahnarztangst sehr verbreitet, aber es gibt viele weitere Ängste mit vergleichbarer Präsenz in der Bevölkerung. Mit diesem Wissen wird sich das eine oder andere unbegründete Unverständnis für Ihre Zahnarztangst sicher ganz schnell auflösen und so mancher aus eigenem Empfinden anderer Ängste plötzlich sehr genau verstehen, wie es Ihnen ergeht.
Mehr Infografiken finden Sie bei Statista.
Gefangen im Teufelskreis
Der bloße Gedanke also an eine Zahnbehandlung, die Vorstellung einer Spritze, das hohe Surren eines Zahnbohrers, der typische Geruch eines Zahnbehandlungsraumes … alles das reicht schon aus, um bei Ihnen Panik entstehen zu lassen. Ihr Pulsschlag erhöht sich, der Schweiß bricht Ihnen aus…
Sie befinden sich jetzt in einem Teufelskreis, der aus wachsender Angst vor Zahnbehandlung, wachsenden chronischen Zahnschmerzen und dem damit verbundenen weiteren Verfall Ihrer Zähne besteht, aber auch aus Scham und aus Verzweiflung.
Hinzu kommt oft Schmerzmittelmissbrauch, der manchmal bereits zu Tablettensucht geführt hat. Auch organische Erkrankungen können hinzukommen. Ein Leben in Lähmung und nicht selten in zunehmender Isolation, in deren Folge eine Depression entstehen kann, sind keine Seltenheit…
Gleichzeitig – und das können Sie als Betroffener vorerst leider nur glauben – stehen Sie näher am Beginn eines neuen positiven Lebensabschnitts, als Sie je vermuten würden; eines Lebens mit schönen Zähnen, ohne Schmerzen, ohne Scham, ohne Angst und stattdessen mit mehr Lebensfreude.
Herzliche Bitte: Erst mal kleine Schritte
Jetzt einfach mal eben in einer Zahnarztpraxis anzurufen, einen Termin zu machen, mal eben zum Zahnarzt zu gehen… – schon dieser „kleine“ Schritt ist für Sie so schwer, als sollten Sie von einem hohen Berg hinunter in eine unermessliche Tiefe springen, ohne Netz und ohne Sicherung. Er kommt Ihnen vor, wie der schwerste Schritt Ihres Lebens.
Bitte verlangen Sie also jetzt nicht urplötzlich von sich selbst, dass Sie alle Ihre Ängste, alle Zweifel, all Ihre Scham und Ihre langjährige Verzweiflung in einer einzigen Sekunde über Bord werfen. Das können Sie nicht einfach so – auch wenn es absolut wünschenswert wäre. Natürlich wünschen wir Ihnen von Herzen und wissen wir auch sicher, dass Sie diesen Mut höchstwahrscheinlich bald aufbringen werden.
Aber Sie sollten sich jetzt mit diesem schweren – dem ersten! – Schritt nicht gleich zu sehr unter Druck setzen.
Sie wären ja nicht in Ihrer jetzigen Situation, wenn es so einfach für Sie wäre.
Nun also erst mal langsam und der Reihe nach. So weit, dass Sie bereits in einer Zahnarztpraxis anrufen können oder einen Vertrauten verbindlich anrufen lassen, sind Sie ja noch gar nicht!
Wenn es Ihnen Ihr Zustand noch irgendwie erlaubt, machen Sie bitte erst einmal einige leichte, kleine Schritte. Vielleicht ist ja unter den hier beschriebenen kostenlosen Empfehlungen die eine oder andere, die Ihnen entgegenkommt auf Ihrem Weg zu verstehen, dass Sie für den letzten Schritt, sich in eine zahnärztliche Behandlung begeben, am Ende gar nicht so viel Mut aufbringen müssen, wie Sie jetzt noch glauben… Bei aller Not und allem Schmerz, den Sie erleiden, sollten Sie sich jetzt erst einmal ein ganz klein wenig Zeit nehmen.
- „Outen“ Sie sich. Reden Sie drüber.
Eine stark belastende Situation einem anderen Menschen persönlich und vertraulich zu erzählen, kann sehr hilfreich sein. Bestenfalls bekommen Sie so das Gefühl, dass Sie Ihr Leid mit jemandem teilen und dass es deshalb schon ein wenig leichter wird. Suchen Sie – wenn irgend möglich – persönlichen Kontakt zu einer Vertrauensperson, der Sie unter vier Augen von Ihrer Situation erzählen können. Outen Sie sich als Mensch mit starker Angst vorm Zahnarzt. Sie können sich einem Verwandten anvertrauen, einem Freund oder einem vertrauenswürdigen Bekannten, Nachbarn, Kollegen. Und es kann durchaus – warum nicht? – auch Ihr Hausarzt sein, der vielleicht nicht ganz soviel Zeit, aber den Vorteil hat, dass er der Schweigepflicht unterliegt und Sie gewiss nicht zahnärztlich behandeln kann. Tipp: Sie könnten der Sprechstundenhilfe ruhig sagen, dass Sie über ein Problem reden möchten, das Sie aber nur mit dem Arzt unter vier Augen besprechen möchten.In jedem Fall aber sollten Sie diesem Menschen zuvor die Chance geben, zu verstehen, dass es etwas gibt, das Sie sehr stark beschäftigt und ihn vorbereiten, dass Sie ihm etwas anvertrauen möchten, so dass er oder sie sich darauf einstellen kann und sich ein wenig Zeit für Sie nimmt.Wenn es nicht anderes geht, können Sie Ihre Anfrage oder Verabredung natürlich auch übers Telefon oder in Form einer persönlichen E-Mail anbahnen. Das eigentliche Gespräch, in dem Sie sich öffnen und Ihre Notlage schildern, sollten Sie aber – wenn möglich – persönlich in Anwesenheit des anderen führen. Die größte Erleichterung verschafft Ihnen ein persönliches Gespräch, also von Angesicht zu Angesicht. Vergewissern Sie sich zuvor, dass Sie möglichst jemanden bitten, dem Sie spontan oder aus Erfahrung zutrauen, dass er Ihnen zuhören kann und Sie ernst nehmen würde. Und achten Sie bitte unbedingt darauf, dass dieser Mensch selbst keine Angst vorm Zahnarzt hat. Auch wenn ein Mensch mit Zahnarztangst Sie vielleicht am besten versteht, er wird Ihnen nur sehr schwer wirklich helfen können. Im Gegenteil, er könnte Ihre Zahnarztangst sogar noch verstärken. Neueste Studien belegen nämlich, dass die Intensität der Angst des Gegenübers mit der eigenen Herzfrequenz korreliert. Mit anderen Worten: Ängstliche Menschen verunsichern ihr Gegenüber statt es zu stärken (nachzulesen in einer Eltern-Kind-Studie aus dem Jahre 2022 ►).
- Tipp: Austausch mit Betroffenen
Großes Verständnis erhalten Sie natürlich auch von Menschen, die an derselben Angst leiden wie Sie, nämlich an der Angst vor Zahnbehandlung. Wenn Ihnen also der Mut und die Möglichkeit fehlen, zeitnah ein persönliches Gespräch zu suchen, ist es immer noch besser, Sie gehen ins Internet, bevor Sie gar nichts tun. Suchen Sie gezielt den anonymen Austausch auf sozialen Netzwerken, Foren, evtl. Chatforen, in denen Menschen – genau wie Sie – mit Zahnbehandlungsangst unterwegs sind. Hier gibt es Trost und Tipps und ermutigende, weiterhelfende Beispiele. Es ist gut, zu wissen, dass Sie ganz gewiss nicht allein sind mit Ihrer Problematik und Ihrer Verzweiflung, dass es Tausende, ja Zehntausende Betroffene in der gleichen Situation gibt.
- Tipp: Das Gute liegt so nah
Ihre Angst ist groß und sie erscheint Ihnen unüberwindbar? Und doch: Auch Ihrer Angst ist nicht unbedingt immer nur mit Tabletten oder mit Hilfe eines Therapeuten beizukommen. Unsere Erfahrung zeigt deutlich, dass viele Patienten ihre Angst bereits spürbar lindern konnten durch kleine unaufwändige Änderungen in ihrem Alltag. Keine Sorge, hier kommen keine weiteren einzuhaltenden Regeln für Sie. Nur ein paar oft vergessene, kleine Empfehlungen, die Sie nichts kosten und die so selbstverständlich und elementar sind, dass wir alle sie manchmal einfach vergessen. Sie helfen Ihnen nicht direkt, den Mut zur Zahnbehandlung aufzubringen, Sie können damit aber selbständig zu Ihrer Entspannung beitragen.
- Bewegung an frischer Luft: Gehen Sie möglichst öfter einfach mal eine Stunde spazieren, auch ohne großen Plan und ohne festgelegtes Ziel. Verlassen Sie sich auf Ihre Beine, vertrauen Sie auf den festen Boden unter Ihren Füßen, spüren Sie, dass Sie die Kraft haben, weiterzugehen.
- Essen Sie, so oft es geht, frische Lebensmittel, die Sie mögen und die Sie selbst in Ruhe zubereiten und dann genussvoll essen – in Gesellschaft oder allein.
- Nichtstun: Tun Sie – warum nicht jetzt gleich? – einfach einmal circa 20 Minuten lang nichts. Kein Fernsehen, keine Musik hören, nicht essen, nicht trinken, nicht sprechen. Sie schalten alle Telefone und alle mobilen und internetfähigen Geräte aus oder Sie stellen sie wenigstens ganz lautlos, also Ihr Smartphone (auch ohne Vibrationsalarm), Ihren PC oder Tablet-PC oder Ihr Notebook etc. Nichts ist angesagt: Weder Agieren noch reagieren. Sie sind jetzt kurzzeitig nicht erreichbar. Komplett offline. Können Sie das noch? Sie können es! Sie haben es in der Hand. Und es stärkt Ihr Selbstgefühl.
- Entspannen Sie: In einer im November 2017 veröffentlichten Metastudie zur Zahnarztangst, haben Psychologen und Zahnmediziner des Universitätsklinikums Jena herausgefunden, dass gerade Entspannungsübungen (auch während einer Behandlung) sehr wirksam gegen Zahnarztangst sind.
Sie behalten die Kontrolle
Wenn man von Zahnarztangst spricht, denken viele zuerst, dass damit eine Angst vor Schmerzen gemeint ist. Das ist aber bei vielen Angstpatienten gar nicht das zentrale Thema. Viele fürchten Sich vielmehr vor Kontrollverlust. Schon der Gedanke an die Liegeposition mit der Instrumententafel über dem eigenen Körper, signalisieren einigen Angstpatienten einen „versperrten Fluchtweg“ und das Gefühl, der Behandlungssituation hilflos ausgeliefert zu sein. Keine Vorstellung ist für Menschen mit dieser Form der Zahnarztangst so schrecklich wie diese: Sie sitzen auf dem Behandlungsstuhl mit weit geöffnetem Mund. Der Zahnarzt ist über sie gebeugt. Sie wissen nicht, was genau er gerade tut und wie lange er noch weiter in ihrem Mund arbeitet. Sie können nicht sprechen, nicht fragen, ob sie gleich eine Spritze bekommen oder ob ein Zahn gezogen wird. Sie sind total ausgeliefert und können diese Situation nicht von sich aus beenden.
Keine Sorge: Diese albtraumhafter Situation wird Ihnen bei einem empathischen und professionellen Zahnarzt für Angstpatienten niemals widerfahren. Denn der Zahnarzt Ihres Vertrauens wird Ihnen vor jeder noch so notwendigen Behandlung garantieren, nur das zu tun, was er Ihnen zuvor in Ruhe erklärt hat und solange Sie damit einverstanden sind. Und er wird Sie erst behandeln, nachdem er sich vergewissert hat, ob Sie ihn verstanden haben und seinem Vorschlag ausdrücklich zustimmen. Auch während der Behandlung wird er Ihnen jederzeit von sich aus die Möglichkeit zum Verschnaufen und zur Unterbrechung einräumen. Schließlich können sie ja nicht mit ihm sprechen.
Fundamental wichtig ist, dass allein Sie bestimmen und entscheiden, was getan werden soll. Der richtige Zahnarzt wird also nur tun, was Sie wollen. Die Kontrolle muss bei Ihnen liegen. Denn es gilt ohne jegliche Einschränkungen: Sie sind der Chef im Stuhl! Sonst niemand.
Welche Zahnarztpraxis ist für Angstpatienten die Richtige?
Es gibt heute eine wachsende Zahl von Zahnarztpraxen, die sich auf die Behandlung von Patienten mit Angst vorm Zahnarzt und Angst vor einer Zahnbehandlung in der einen oder anderen Weise auf Sie eingestellt haben. Vergewissern Sie sich: Ist dies eine Praxis, die Ihnen spürbar Verständnis und Respekt entgegenbringt? Oder ist es eine Praxis, die sich die Behandlung von Angstpatienten und Panikpatienten nur auf die Fahne geschrieben hat, um ihre Behandlungszahlen zu erhöhen?
Es gibt aktuell diesbezüglich noch keine objektiv überprüfbare Qualifikation „Zahnarzt für Angstpatienten“ oder „Zahnarzt für Panikpatienten“, der Sie grundsätzlich vertrauen könnten – außer vielleicht eine nachgewiesene langjährige Erfahrung mit Angstpatienten und guten Bewertungen auf den bekannten Bewertungsportalen wie z.B. JAMEDA und Google.
Bei der Auswahl der für Sie geeigneten Zahnarztpraxis sind Sie also auch heute noch auf sich selbst gestellt. Letztlich können Sie immer nur auf Empfehlungen von Freunden oder Betroffenen zurückgreifen oder auf Quellen und Informationen aus dem Internetauftritt, die Sie aber nicht wirklich überprüfen können.
Welche Zahnarztpraxis also die richtige und welcher Zahnarzt der richtige für Sie ist, entscheidet am Ende allein Ihr persönlicher Eindruck und den erhalten Sie natürlich nur über Ihre aktive persönliche Kontaktaufnahme. Wenn es jedoch überhaupt nicht anders geht, kann natürlich auch eine Person Ihres Vertrauens den Kontakt für Sie aufnehmen. Um Ihnen die Wahl etwas zu erleichtern, haben wir hier einige Hinweise und Kriterien zusammengestellt, die vielleicht erste Anzeichen sein können, dass Sie die richtige Wahl treffen:
- Sie erhalten in der Zahnarztpraxis als anfragender Angstpatient sehr kurzfristig einen Termin.
- Sie müssen nicht sofort Auskunft geben, ob Sie privat oder gesetzlich versichert sind.
- Sie müssen bei diesem Termin dann auch nicht oder nur kurz warten (auf Angstpatienten spezialisiere Zahnärzte wissen, dass gerade das Warten eine extreme Belastung für Angstpatienten ist).
- Sie werden bei diesem ersten Termin keinesfalls zur Behandlung gedrängt.
- Fühlen Sie sich in Ihrem Gespräch mit dem Zahnarzt oder der Zahnärztin wohl? Bitte achten Sie ganz besonders darauf. Denn Studien belegen auch das: Die richtige Kommunikation trägt in einem hohen Maße zur Verbesserung der Angst-Symptome bei und die Fähigkeit, empathisch auf die Patienten einzugehen, ist wichtiger für den Vertrauensgewinn als die fachliche Kompetenz (https://www.zm-online.de/news/detail/dentophobie-ist-ansteckend). Ihr Bauchgefühl ist hier also ein sehr guter Ratgeber.
- Geldsorgen: Ein geeigneter Zahnarzt wird Ihnen ruhig und ohne Druck eine Möglichkeit aufzeigen, die notwendige Behandlung so zu gestalten, dass Sie auf keinen Fall in eine finanzielle Schieflage geraten.
- Verfügt eine Zahnarztpraxis über eine entsprechend fundierte Erfahrung mit sedierenden, d. h. beruhigenden Medikamenten? Werden vielleicht auch homöopathische Mittel angesprochen?
- Werden anerkannte Entspannungstechniken angeboten? Besteht in dieser Praxis evtl. auch Routine bei der Behandlung von Angstpatienten unter Vollnarkose bzw. in Tiefschlaf ähnlicher Entspannung?
Hier noch einige weitere Fragestellungen bzw. Eindrücke, die Ihnen das Finden einer Zahnarztpraxis für Sie und Ihre Situation erleichtern können:
- Nimmt eine Zahnarztpraxis sich speziell für Angstpatienten Zeit? Ist da auch wirklich jemand am Apparat, der das erste Telefongespräch mit Ihnen nicht einfach so nebenbei, sondern mit voller Konzentration und genügend Rücksichtnahme führt?
- Haben Sie sofort den Eindruck: Hier schätzt man mich und meine Situation sofort richtig ein? Die scheinen mich zu kennen?
- Ihr Gegenüber am Telefon wirkt auf Sie vertrauenerweckend und hört Ihnen zunächst aufmerksam zu. Sie fühlen: Hier würde ich nicht ausgelacht. Hier macht man mir garantiert keinerlei Vorwürfe.
- Hier würde nur das geschehen, was ich zulasse. Hier behalte ich von vornherein die Kontrolle.
Und wenn Sie das Glück haben, gleich mehrere Zahnarztpraxen zu finden, die die zuvor genannten Merkmale erfüllen und Ihnen ideal erscheinen, dann achten Sie auf eine fundierte Erfahrung der Zahnärzte. Forscher haben nämlich in einer aktuellen Studie (2018) herausgefunden, dass sich die Angst des Patienten auf unerfahrene Zahnärzte überträgt und diese dadurch deutlich mehr Fehler machen.
Seit Oktober 2019 gibt es auch die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde DGZMK zur „Zahnbehandlungsangst beim Erwachsenen“, die Zahnärzten Handlungsempfehlungen im Umgang mit Angstpatienten gibt. Diese Leitlinie können Sie hier einsehen und mit den Verhaltensweisen Ihrer Wunschpraxis vergleichen. Aber: Achten und hören Sie dabei unbedingt auf Ihre ganz persönlichen Erfahrungen und individuellen Empfindungen und prüfen Sie sehr genau, ob die Empfehlungen der S3-Leitlinie insoweit zu Ihnen passen. Nicht alles lässt sich verallgemeinern. Aus unserer Sicht eher zurückhaltend bis gar nicht empfehlenswert ist z.B. die in der S3-Leitlinie beschriebene Konfrontationstherapie (= den Patienten mit Reizen konfrontieren, also typischen Geräuschen, Gerüchen, Spritzen etc.). Unsere Erfahrung ist, dass daraus eher ein Vertrauensverlust entsteht, der nicht wieder gutzumachen ist. Wir empfehlen daher, und weichen damit von der Leitlinie ab, die Summe an Reizen so weit wie möglich zu minimieren, damit das so wichtige Vertrauen ungebrochen entstehen kann.
Muss man in Zeiten besonderer Sensibilität für Infektionskrankheiten – wie z.B. CORONA – auf irgendetwas besonders achten? Achtsame Praxen wissen um die Sensibilität dieses Themas und informieren Sie sicherlich gerne darüber, wie die Praxis darauf eingestellt ist und ob es für Sie als Patient etwas zu beachten gilt. Grundsätzlich kann man sagen: Die Hygienevorkehrungen guter Zahnarztpraxen waren schon vor CORONA sehr gut. Eine (zusätzliche) Angst vor der Ansteckung in einer Zahnarztpraxis ist daher in aller Regel unbegründet.
Schamgefühle
Keiner lacht Sie aus. Keiner rümpft die Nase. Niemand blickt entsetzt oder kritisch oder skeptisch.
Ein vertrauenswürdiger Zahnarzt für Angstpatienten würde niemals – auch nicht ansatzweise – über den vielleicht schlimmen Zustand Ihrer Zähne oder Ihres Zahnfleisches lachen oder auch nur abschätzig blicken oder stumm den Kopf schütteln.
In einer seriösen Zahnarztpraxis, die sich auf Angstpatienten wie Sie spezialisiert hat, müssen Sie sich beim Öffnen Ihres Mundes keine Vorwürfe anhören oder auch nur wortlose Verachtung fühlen. Nicht nur das Behandlungsteam, auch das gesamte Personal einer Praxis muss instruiert sein und jederzeit ein Bewusstsein für Ihre persönliche schwierige Situation haben. Dass Sie persönlich den Mut aufgebracht haben, in die Praxis zu kommen, das verdient Wertschätzung, und die müssen Sie auch spüren – genauso wie Sie sich auf die Verschwiegenheit verlassen können und die jederzeitige Sicherheit, dass alle in der Praxis Ihre Verbündeten sind, die nur das tun, was Sie auch wirklich wollen.
Sie schaffen es
Angenommen, Ihre Einsicht, dass etwas getan werden muss oder Ihr Leidensdruck ist derart hoch, dass Sie es einfach nicht mehr aushalten können. Vielleicht haben Sie auch bereits die Telefonnummer von einer oder mehreren Zahnarztpraxen. Wie könnten Sie jetzt Ihren ersten Telefonanruf führen? Hier ein Beispiel für Ihre Anfrage:
„Guten Tag, mein Name ist… Behandeln Sie in Ihrer Praxis auch Patienten mit akuter Angst vorm Zahnarzt? Ich war seit … Jahren nicht mehr beim Zahnarzt und habe wahnsinnige Probleme.“
So oder so ähnlich könnte Ihre erste telefonische Anfrage lauten, wenn Sie es geschafft haben, sich zu diesem Schritt zu entschließen und eine Zahnarztpraxis anzurufen. Vielleicht haben Sie vorher auch schon eine E-Mail hingeschickt und eine ermutigende Antwort erhalten?
Wie auch immer: Jetzt hängt alles davon ab, ob Sie am anderen Ende des Telefons eine freundliche und ehrliche Stimme empfängt.
Und so oder so ähnlich sollte die Antwort auf Ihre Frage lauten:
„Guten Tag Frau / Herr… Selbstverständlich sind Sie bei uns richtig. Vielen Dank für Ihren Anruf. Zu uns kommen seit vielen Jahren Patienten mit großer Angst vorm Zahnarzt. Wenn Sie möchten, biete ich Ihnen gerne einen kurzfristigen Termin erst einmal nur zur Beratung ohne Behandlung an…
Vollnarkose, Hypnose und Anxiolytika
Einige Menschen mit Zahnbehandlungsphobie fühlen sich bei der Vorstellung einer Behandlung unter Vollnarkose grundsätzlich nicht wohl. Oftmals wird zusätzlich die Sorge geäußert, unter Vollnarkose die eigentliche Angst ja nicht zu verlieren, sondern diese quasi nur temporär zu betäuben.
Beides ist emotional nachvollziehbar, aber in der Regel rational unbegründet.
Die Anästhesie – das ist das medizinische Fachgebiet hierzu – hat sich enorm entwickelt. Die präzise, individuelle Dosierung macht heute eine Vollnarkose für die meisten Menschen medizinisch unbedenklich. Sie ist einem sanften Tiefschlaf vergleichbar. Der Patient liegt entspannt auf einer bequemen Liege und bekommt nichts von der Behandlung mit. Selbstverständlich muss jeder Entscheidung pro oder contra Vollnarkose ein ausführliches Gespräch mit dem Zahnarzt und dem Anästhesisten vorausgehen. Sofern danach eine Vollnarkose sinnvoll und von Ihnen gewollt ist, sollte vor der Behandlung eine ausführliche medizinische Anamnese erfolgen, z.B. durch Ihren Hausarzt, um jedes noch so kleine mögliche Risiko auszuschließen. Und: Patienten sollten unbedingt darauf achten, dass die Durchführung der Vollnarkose ausschließlich einem Anästhesisten obliegt. Hierzu sollte die Zahnarztpraxis ein spezialisiertes Anästhesistenteam haben. Der zunehmende Trend, dass Zahnärzte die notwendigen Narkosemittel selbst verabreichen, ist hochriskant und sollte von Patienten grundsätzlich abgelehnt werden.
Sind die Voraussetzungen für eine Vollnarkose gegeben, zeigt unserer Erfahrung: Die Behandlung unter Vollnarkose (fachsprachlich auch Intubationsnarkose genannt oder abgekürzt „ITN“) führt bei einer Vielzahl von Angstpatienten dazu, dass sie ihre Angst dauerhaft verlieren. Beispiele von echten (ehemaligen) Angstpatienten finden Sie hier im Ratgeber auf der Seite „Diese Angstpatienten haben ihre Zahnarztangst überwunden„. Die Sorge, durch eine Behandlung unter Vollnarkose verlören Angstpatienten ihre Angst nicht dauerhaft, bestätigt sich in der Praxis jedenfalls zumeist nicht. Im Gegenteil: Die Erfahrung zeigt, dass Angstpatienten nach einer Erstbehandlung unter ITN beim zweiten Behandlungstermin beispielsweise eine weniger aufwändige Behandlung unter herkömmlicher Lokalanästhesie erlauben. Das sind positive Anzeichen eines schrittweisen „Verlernens“ von Angst, was in der Verhaltenspsychotherapie bei phobischen Patienten befürwortet wird.
Maßnahmen wie Hypnose und Medikamente, die eine Zahnarztangst unterdrücken (sog. Anxiolytika), sind generell nur als adjuvante d.h. eine Behandlung ergänzende Maßnahmen zu verstehen. Besonders Medikamente bringen dabei eine Suchtgefahr mit sich oder haben andere Nebenwirkungen, wie z.B. die eingeschränkte Verkehrstüchtigkeit oder eine Atemdepression. Generell gilt: Sprechen Sie jede Medikamenteneinnahme mit dem Behandler / Zahnarzt Ihres Vertrauens ab und informieren Sie Ihren Zahnarzt unbedingt darüber, falls er von Ihrer Einnahme eines Medikaments nichts weiß. Ein durchaus interessantes Thema sind hingegen Anxiolytika auf pflanzlicher Basis, wie z.B. Lavendel.
Grundsätzlich sind Methoden wie Hypnose und Medikamente nicht abzulehnen, wenngleich sie auch nicht die erste Wahl sind. Sie sollten in die sehr individuelle Behandlung eines jeden Angstpatienten als eine mögliche Option mit einbezogen werden. Genauso wie die Behandlung in Vollnarkose und Dämmerschlaf. Vertrauen, Ruhe und die Vermeidung von Kontrollverlusten sind aber die wichtigsten Bausteine einer Behandlung von Angstpatienten.
Sind Sie so weit?
Zum Schluss möchte ich Ihnen jetzt noch ein bisschen Mut machen und Ihnen sozusagen die Vorstellung versüßen, wie es sich anfühlen kann, wenn Sie es geschafft haben, Ihren Teufelskreis zu durchbrechen.
Dankenswerterweise haben sich dazu einige Patienten mit großer Zahnbehandlungsangst bereit erklärt, Ihnen nachfolgend unter der Rubrik „Wir haben es auch geschafft“ ihre Erfahrung und ihren ganz persönlichen Weg aus dem Teufelskreis zu schildern.
Wir haben es auch geschafft!
In dieser Rubrik sammeln wir authentische Original-Aufnahmen und -Videos von Menschen, die ihre Zahnarztangst überwunden haben. Da diese Rubrik mittlerweile stark gewachsen ist, haben wir sie auf dieser eigenen Seite gesammelt.
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